Er soll der einzige Wagen seines Typs hierzulande sein, dieser 1953er DeSoto. Denn die Marke wurde in der Schweiz zum Modelljahr 53 weder importiert noch montiert. Dieser Wagen hier ist ein original US-Car aus Bristol, Connecticut.
Die AMAG in Schinznach-Bad baute Autos aus dem MOPAR Katalog für den hiesigen Markt, vorzugsweise Plymouth. Dazu gilt anzumerken, dass durch die Montage Suisse auch einige DeSoto, vermutlich umgebrandete Plymouth, auf den Schweizer Markt gelangten. Diese “kleinen” DeSoto waren in den USA nicht zu haben, sind aber als Exportmodelle rund um den Globus zu finden.
Full Size F-Body
Imposant ist der erste Eindruck des DeSoto Powermaster Jahrgang 1953 – obwohl der Wagen weit weniger ausladend wirkt als typische Full-Size-Amerikaner der späteren 1960er-Jahre. Doch 5.45 Meter lassen sich schwer verstecken. Und Grösse war es, was gefragt war jenseits des Atlantiks. Die Weltmacht USA war nach dem gewonnenen Weltkrieg voll am Durchstarten. Selbst der kleine Dämpfer des Korea-Krieges hatte nur kurzfristig einen Einfluss auf das Konsumklima. Und die Konsumenten absorbierten zuverlässig die jährlichen Neuheiten der „Big Three“ GM, Ford und Chrysler. Bei DeSoto, einem 1929 generisch geschaffenen Sub-Brand des Chrysler-Konzerns, war der „Firedome“ V8 im Vorjahr die grosse Neuheit gewesen. 1953 zeichnete sich bereits ein deutlicher Vorsprung des mit hemisphärischen Brennräumen versehenen Achters gegenüber dem altgedienten L-Head-Six ab. Der damit ausgerüstete Powermaster zielte auf eine konservative Klientel, die auf sichere Werte setzte und auf die 40 PS Mehrleistung des V8 verzichten konnte. Der Sechszylinder mit stehenden Ventilen punktet noch heute mit sattem Drehmoment bei tiefsten Drehzahlen (282 Nm bei 1600 Touren) und einer äusserst robusten Mechanik.
Start per Schlüssel, ein Novum
Unser Powermaster startet wie erwartet auf den ersten Schlüsseldreh. Zünd-Startschlösser oder eine Startautomatik ohne manuellen Choke waren in Europa noch kaum verbreitet. Ganz zu schweigen von automatischen Getrieben. Wie die meisten seiner Art ist der DeSoto mit einem halbautomatischen „Tip-Toe-Shift“-Getriebe ausgerüstet. Der Umstand ist nicht sofort erkennbar, denn im Fahrer-Fussraum ragen einem nach wie vor drei Pedale entgegen, welche tatsächlich auch die ihnen zugeschriebenen Funktionen erfüllen: Kupplung, Bremse, Gas. Doch der Schalthebel zeigt nur vier Positionen. „R, L, N und D“.
Fluid Drive
Des Rätsels Lösung: Der Wagen hat sowohl eine Trockenkupplung mittels Pedal, als auch eine Flüssigkeitskupplung „Fluid Drive“. Das Ganze ist an ein Zweigang-Schaltgetriebe, sowie an einen zu beiden Gängen elektrohydraulisch zuschaltbaren Overdrive gekoppelt. Damit ergeben sich vier Gänge! Zum Anfahren muss das Kupplungspedal getreten werden, allerdings kann bereits im Stillstand nach Einlegen von L oder D eingekuppelt werden. Dann „hängt“ der DeSoto an der Flüssigkeitskupplung wie ein Automatik-Wagen. Mit etwas Gas setzt sich das Auto in Bewegung. Zum Schalten der weiteren Schaltstufe braucht man nun nur kurz den Gasfuss zu heben und mit einem deutlichen Klack rastet die höhere Fahrstufe ein. Ist man bereits in „D“ losgefahren, kann man eigentlich den ganzen Tag damit herumfahren. Allerdings braucht der Powermaster dann eine Ewigkeit, um aus dem Stillstand wegzukommen.
Selber Intervenieren
Viel interessanter – und signifikanter Unterschied zu einer Vollautomatik – wird es, wenn man ganz klassisch mit Kuppeln vor einer Kurve nach „L“ herunterschaltet. Dann steht nämlich zum Kurvenausgang oder Kreisel bereits eine passendes Räderpaar zur Verfügung und zieht den Wagen mit Nachdruck vorwärts. Damit entfällt das typische Hochschalten im Schiebebetrieb und Warten, bis einem der oft träge Kickdown aus der lethargischen Durchzugschwäche einer zu hohen Schaltstufe erlöst. Zudem kann so der Fahrer jederzeit bestimmen, wann er in welcher Fahrstufe unterwegs sein will. Selbst der Schaltpunkt lässt sich selbst bestimmen, wird das Gaspedal gehalten, verbleibt das Planetengetriebe auf der kürzeren Fahrstufe. Kaum gebraucht wird so der 3.Gang, ihn erreicht man nur, wenn er auf „D“ mittels Kick-Down abgerufen wird.
Weiche Federung, lasche Dämpfung
Und sonst? Der DeSoto ist butterweich gefedert und lasch gedämpft. Zudem tragen auch die beiden Sofas zum Eindruck bei, dass die Strasse in diesem Auto eigentlich nie direkten Einfluss auf die Insassen ausübt. Nur Kurven bringen die Passagiere in Bewegung, mit spektakulären Neigungswinkeln, begleitet vom Wummern der Diagonalreifen bittet der Wagen wieder um seine bevorzugte Fahrtrichtung: Geradeaus! Erstaunlich präzise und ohne zu wandern lässt es sich dazu am riesigen, stark untersetzten Lenkrad – völlig unterstützungsfrei – drehen. Eine andere Geschichte sind die Bremsen. Chrysler brüstete sich, die grössten Trommeln der US-Autoindustrie in ihren Wagen zu verbauen.
Straighten up and -brake- right
Die Lockheed Duplex-Bremsen an der Vorderachse wirken zumindest auf dem Papier einigermassen vertrauenserweckend. In der Praxis wünscht man sich einfach, die schwierig zu justierende Bremse möge die Fuhre in einer geraden Linie zum Stillstand bringen. Vorausschauendes Fahren ist angesagt. Dafür bietet der 53er DeSoto Platz zum Leben. Sowohl vorne wie hinten sitzt es sich im Trio ohne grossen Körperkontakt. Fussraum gibt es in der bei Briggs gebauten Carosserie reichlich und dank klassischer Chassisbauweise mit X-Traverse liegt die Kardanwelle unter dem flachen Wagenboden. Bezüglich Kopffreiheit orientierte sich Chrysler und somit auch der DeSoto an Fahrer und Fahrerinnen mit Hut – das bis Modelljahr 1955 um danach in einer radikalen Wende von Chryslers Konservativismus hin zum epochal-modernen „Forward-Design“ zu wechseln.
Für mutige
Wie gross der DeSoto wirklich ist, zeigt sich im heutigen Verkehr sowohl bei der Parkplatzsuche als auch beim Drive-Through beim lokalen Frikadellen-Lieferanten. Nur wer seinen Wagen gut zu kennen glaubt, sollte es wagen sich mit der relativ unübersichtlichen Karosse in dieses Wagnis zu stürzen.
Unterweg aber zeigt der DeSoto seine Qualitäten und auch die Überlegenheit der US-Autoindustrie zu Beginn der 1950er Jahre. Der Wagen – benannt nach dem Conquistador Fernando DeSoto, dem Entdecker des Missisippi und von eher zweifelhaftem Charakter – wirkt ausgereift, zuverlässig und verwöhnt seine Insassen gerade auf langen Autobahnetappen mit stressfreiem Cruisen. Die Schalter, Griffe und Materialien wirken qualitativ auf Dauerhaftigkeit ausgelegt und auch die Wartung und Erreichbarkeit aller Komponenten stellt einem vor wenig Probleme. Erfreulich, dass die meisten Technik-Teile noch heute zu moderaten Preisen erhältlich sind.
Goldzähne
Etwas anders ist die Situation bei Zierteilen. Ganz besonders das „Gebiss“ wird in Gold aufgewogen. Viele 52-, 53- und 54er DeSoto, ob schon tot oder noch wiederbelebbar wurden – wie ein abgeschossener Elefant – ihrer Zähne beraubt. Der Grill war und ist äusserst beliebt bei den „Roddern“ und prangt heute an manch anderen wilden Maschinen aus USA.
Bleibt der Grill wo er ist, so wie in unserem Fall gar seit mehr als 61 Jahren – unser Powermaster präsentiert sich unrestauriert und bis auf das weiss nachlackierte Dach auch in seinem Erstlack – dann sorgt er für ein ungemein cooles, imposantes auftreten. Fluid Driiiive Baby! /MSI 2016