Nachdem die Schweiz sich doch noch überzeugen liess, den Kleinserien-Artikel der EU-Zulassungsvorschriften zu akzeptieren, steht es wieder viel besser um meinen Lieblingssportwagen aus als damals, vor rund 4 Jahren, als dieser Artikel entstand. Wie gut, lässt sich auf www.kumschick.com erfahren! Doch zunächst zum Artikel:
Eine glorreiche Sieben
Die Schweizer Topografie mit Jura, Mittelland und natürlich den Alpen ist geradezu prädestiniert für ein Auto, dessen letzte Stunde hierzulande mit den verschärften Vorschriften zum Fussgängerschutz ab diesem Jahr geschlagen hat.
Freiliegende Aufhängungsteile oder eine Motorhaube, welche sich nur wenige Millimeter vom Motor entfernt über denselben spannt, entsprechen nicht mehr den Vorstellungen der Schweizer Zulassungsstellen. Obwohl der Caterham Super Seven, der wohl reduzierteste Sportwagen aller Zeiten, die Europäische Homologation im Rahmen der Verordnung 2007/46/EG für Kleinserienfahrzeuge bis 1000 Stück Jahresproduktion erfüllt, haben Sicherheitsdenken und eidgenössisch-insulare Sondervorschriften, welche die EU-Typengenehmigung, nicht aber den Ausnahmeartikel 2007/46/EG anerkennt, dem Leichtgewicht und legitimen Nachfolger des legendären Lotus Super Seven der fast 40-jähriger Marktpräsenz hierzulande den Garaus gemacht. Ein Grund für mich, seit über 10 Jahren passionierter Sevenfahrer, zum Thema „Gipfelstürmer“ seine Erlebnisse mit dem „motorbike on four wheels“, dem „Motorrad auf vier Rädern“ zu schildern.
Um er vorweg zu nehmen, ein „Seven“, wie er von seinen Besitzern benannt wird, ist weder ein Hochleistungssportwagen noch ein technisches Meisterwerk. Die Kunst seiner Sportlichkeit liegt im Mut zum Verzicht. Es gibt ausser dem Nötigsten zum Fahren fast nichts an Bord – weder Türen noch Kurbelfenster, Radio oder gar Klimaanlage, viele haben keine Heizung, einige nicht einmal ein Verdeck, höchstens einen Spritzschutz. Alle Varianten sind mit Vierzylinder-Motor ausgerüstet, kaum einer hat mehr als 2.3 Liter Hubraum oder maximal ca 200PS, von einigen Ausnahmen abgesehen. Was zählt, ist das geringe Gewicht. Der „Seven“ wiegt nur rund 500-600Kg. Daraus ergibt sich selbst mit moderaten 100PS meines „Caterham Super 7 1600GT“ ein ansprechendes Leistungsgewicht. Dies in Verbindung mit einer hervorragenden Strassenlage – der Seven ist nicht umsonst ein Kind des Formel 1 Teamchefs, Tausendsassas und Konstrukteurs Colin Chapman – sorgt für ein Fahrgefühl von besonderer Note. Wenn die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten eine Gerade ist, so ist die die schnellste Verbindung zweier Punkte für den Seven eine Kurve. Und damit ist er das ideale Fahrzeug für die Schweiz: Auf kleinen Nebenstrassen über die gletschergeformten Hügel des Mittellandes, zum Beispiel des Freiamtes und Seetals oder entlang der Juraketten, durch eine Klus, aber ganz besonders auf den kurvenreichen Strassen in und über die Alpen ist der Seven in seinem Element. Dazu reicht das Tempolimit unserer Landstrassen völlig aus, um flott unterwegs zu sein. Mein einziges „Blitzerlebnis“ folgte nach einer langen Heimfahrt vom Ursprung des Sevens, England, beim Passieren einer Radarfalle am Stadtrand von Luzern mit 86km/h statt der erlaubten 80. In der Tat sind Geschwindigkeiten jenseits von 100 nicht nur reizlos, sondern auch ermüdend, sowohl für Mensch wie auch Maschine, der Motor dreht bei 110km/h über 4500 Touren pro Minute.
Entstanden ist der Seven im Jahre 1957, Ende des Jahres zeigt sich der kleine Sport- und Rennwagen von Lotus erstmals in der Öffentlichkeit, natürlich an einem Autorennen. Als „Cash-Cow“ gedacht um dem Rennteam Geld in die Kassen zu bringen, findet der Dauerläufer bald zahlreiche Fans, die den Wagen unter der Woche zur Arbeit und am Wochenende erfolgreich zu und in Rennen fahren. Stets weiterentwickelt und, nach dem Verkauf der Produktionsrechte von Lotus 1973 an Caterham Cars – dessen ehemaligen Vertreter – wird der Seven heute noch nach den selben Grundprinzipien produziert: Ein leichter, steifer Gitterrohrrahmen mit Aluminium beplankt, ein Motor aus der Gross-Serie, keine Komfortmerkmale, exzellente Strassenlage, bezahlbarer Preis.
Natürlich „braucht“ niemand einen Seven, obwohl er dank einfacher Technik so zuverlässig und billig zu fahren ist wie ein normaler Kompaktwagen. Aber es ist wie mit dem Essen: Schon längst könnten wir uns mit entsprechenden Präparaten vollwertiger und schneller ernähren, als mit einem Menu vom Starkoch in einem Gourmetrestaurant, aber es wäre kein Genuss. Der Seven ist ein Genussmittel in hohen Dosen. Eine Passfahrt im letzten Licht des Tages, am liebsten nach einem heissen Sommertag, wenn die kühlere Abendluft als angenehme Erfrischung empfunden wird, ist ein Erlebnis für alle Sinne. Das Schlagen der Aufhängung, das Feedback von der Lenkung, das modulierbare Ansauggeräusch, vom Zwitschern kaum über Standgas bis zum Bellen bei kurzen Stössen Zwischengas, der Auspuffsound und natürlich die direkte Verbindung zwischen dem wichtigsten Sinnesorgan, dem „Popo-Meter“ und der Strasse sind es Wert, die Kosten für ein Auto zu tragen, das kaum je mehr als 2500 Kilometer pro Jahr bewegt wird. Neue Sevens sind nun also nicht mehr willkommen in der Schweiz, ausser vielleicht als Umzugsgut, denn als solches ist er weiterhin zulassungsfähig, aber die bestehenden Wagen werden darum von ihren Besitzern noch mehr gehegt und gepflegt. Denn eines ist klar, von allen Gipfelstürmern auf unseren Strassen gibt es kaum ein Auto, dass dies mit mehr Emotionen, weniger Aufwand und vor allem mehr Fahrspass tut als der Super Seven.
Sevenfahrer sind im Grunde bescheidene Menschen, hart im Nehmen und tolerant bezüglich dem Unverständnis anderer. Darum bitten sie nur um eines: Einer Kurve als Verbindung zweier Punkte.
Fotos: Matthias Schmid http://kurvensucht.ch